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Der Soldat Alte Freunde. Neue Feinde.

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Alte Freunde. Neue Feinde.

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Der Kampf gegen einen Soldaten ist einfach.

Ein Soldat kann eingeschüchtert werden.
Ein Soldat kann sich verletzt zurückziehen.
Ein Soldat hat Angst vor dem Tod.

Natürlich gibt es auch sie, die furchtlosen Soldaten. Die, die ohne Angst einem Drachen in die Augen schauen könnten. Behaupten sie zumindest. Merkwürdigerweise jagt es umso mehr Furcht ein, je furchtloser der Feind ist.

So einen habe ich gerade niedergestreckt. Er war groß und selbstbewusst. Und ich hatte Angst. Vielleicht hat er es gerochen. Wenn diese Biester Angst riechen können, würde mich das nicht wundern. Doch die beste Waffe gegen Selbstbewusstsein ist und bleibt der Speer – eine Waffe, die es selbst einem Bauern ermöglicht, einen Ritter niederzustrecken. Er ist mehr oder weniger hinein­gerannt. Ich frage mich bisweilen, wer ihn nun wahrlich getötet hat: ich oder er selbst.

Der Ansturm war kurz, aber brutal. Viele Speere wurden zerbrochen. Thoran ist gestorben. Sein Speer hielt seinem Ork nicht stand. Er hat ihn einfach über den Haufen gerannt, und erst durch Grals Hiebe hörte der Ork auf, seinen Körper zu zerfleddern. Ich weiß, dass wir Soldaten sind. Dass jeder Moment unser letzter sein kann. Und dass auch der Waffenbruder sterben kann. Dennoch hat man Instinkte. Und zu diesen Instinkten gehört, dass das gewaltsame Brechen von Knochen unangenehm klingt. Dass körperwarmes Blut in großen Mengen unangenehm riecht. Und dass der Anblick des toten Waffenbruders Trauer erzeugt.

Seit der Kindheit kannten wir uns. Geschworen, uns nie im Stich zu lassen. Eine alte Tradition. Eine gute Tradition. Wir waren Waffenbrüder. Freunde auf Lebenszeit. Es sind Gedanken, die mir erst nach dem Ansturm durch den Kopf gingen. Davor war ich mit Überleben beschäftigt. Einigen war nach Feiern zumute, den meisten nicht. Nicht nur, weil mehrere von uns gestorben sind. Nicht nur, weil der Anblick anstürmender Orks einen auch in der Erinnerung noch in Angst und Schrecken versetzen lässt. Nicht nur, weil etwas Undefinierbares in der Luft liegt. Sondern vor allem, weil uns noch nicht der Befehl zur Auflösung der Formation gegeben wurde.

Der Kampf ist nicht vorbei.

Nun erhalten wir einen Befehl, und zwar zur Bildung einer neuen Frontlinie, mehrere Schritte hinter unserer aktuellen Stellung. Ich weiß nicht, was das bedeuten soll. Aber die Alten haben die feiernden Jungen schnell zum Schweigen gebracht. Das ist nie gut.

Nächster Befehl: Schilde an, Äxte an. Wer noch einen Speer trägt, wirft ihn auf den Boden. Orks, die zu weit weg sind, um sie zu sehen, singen unheimliche Hymnen. Zu uns gelangt nur ein fernes Echo. Die Alten beten zu Mirasatra. Sie bitten sie um Vergebung. Wieso?

Deswegen.

Der Kampf gegen einen Soldaten ist einfach.

Ein Soldat kann eingeschüchtert werden.
Ein Soldat kann sich verletzt zurückziehen.
Ein Soldat hat Angst vor dem Tod.

Thoran ist kein Soldat mehr. Seine weißen Augen zeigen keine Furcht. Aus seiner offenen Kehle spritzt Blut mit jedem Atemzug, den der Körper scheinbar reflexartig durchführt. Er läuft auf mich zu. Er hat mich fixiert. Mir wird übel. Viele können ihre Übelkeit nicht im Körper behalten. Der Oberst auch nicht. Die Alten rufen laut, wir sollen die Nerven behalten. Dass es nicht mehr unsere Freunde sind. Dass sie nun der Feind sind. Dass man ihren Kopf abtrennen muss.

Aber das ist Thoran. Seine Axt hebt sich mit einem unnatürlich verrenkten Arm. Ich kann doch nicht Thoran den Kopf abtrennen. Mein Schild erhebt sich mehr aus intuitiver Selbsterhaltung denn geplant. Ich kann doch nicht meinen Freund töten.

Töten …

Thoran ist tot. Ein Ork hat ihn getötet. Das ist nicht mehr Thoran. Der schwache Hieb mit dem kaputten Arm prallt am Schild ab. Andere, die stärker von der Schockstarre betroffen sind, haben weniger Glück. Es ist ein langsames, stilles und grausames Gemetzel. Vergib mir, Mirasatra. Das ist nicht Thoran, also ist es kein Freund. Schweren Herzens und mit geschlossenen Augen stößt der Schild den Feind zu Boden. Drei unsaubere Hiebe sind notwendig, um den Kopf abzutrennen. Es dauert einen Moment, bis der Körper nicht mehr zuckt. Andere schaffen dies ebenfalls. So etwas wie Moral und Struktur gelangt wieder in die Reihen der Verteidiger. Immer weniger Lebende sterben, immer mehr Tote finden ihre Ruhe.

Das Ende der Schlacht ist nah. Die Wunde in meiner Brust brennt auch immer weniger. Ich habe unterschätzt, wie stark ein toter Ork ein Schwert schwingen kann. Ich habe Angst. Angst davor, dass ich gleich wieder aufstehe und mich gegen meine alten Freunde wende. Ich bin ein Soldat. Ich habe Angst.

Einer der Alten kommt zu mir rüber. Er sieht auch, dass ich es nicht schaffen werde. Seine Knöchel färben sich weiß, als er den Griff um seine Axt weiter anspannt. Sein Gesicht zeigt Entschlossenheit und Reue. Ich lächle und versuche, so etwas wie ein Nicken zu schaffen; es ist in Ordnung. Sogar beruhigend. Ich schließe die Augen und erwarte die Gnade der Erlösung. Mein letzter Gedanke gilt meinem gefallenen Waffenbruder.

Der Kampf gegen einen Soldaten ist einfach.

Ein Soldat kann eingeschüchtert werden.
Ein Soldat kann sich verletzt zurückziehen.
Ein Soldat hat Angst vor dem Tod.
Ein Soldat kann sterben.

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